
Frühkindliche Bildung wird zur Glücksache – unsere Pressemeldung vom…
Frühkindliche Bildung wird zur reinen Glückssache
Eltern kritisieren Willkür bei der Kita-Öffnung in Deutschland
Das Recht der Kinder auf Bildung gilt offensichtlich nur noch in wenigen Teilen Deutschlands. Sprachliche Förderung, Aufbau von Sozialkompetenzen, motorische Entwicklung – aufgrund weitgehend geschlossener Kitas werden auf unbestimmte Zeit vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten blockiert und Chancen in einem wichtigen Zeitfenster der kindlichen Entwicklung vertan. Die Initiative „Kinder brauchen Kinder“, die innerhalb von vier Wochen über 78.000 Unterstützende gewinnen konnte, erklärt: Während in fast allen Lebensbereichen weitreichende Lockerungen in Kraft treten, werden Kinderrechte mit Füßen getreten.
Die Zahlen von Kindesmisshandlungen steigen und Familienökonom:innen prognostizieren langfristig verschlechterte Bildungsbiografien von Kindern aus vulnerablen Verhältnissen. Langfristige Schäden bei den Kindern scheinen billigend in Kauf genommen zu werden. Nachdem das gemeinsame „Konzept“ der Jugend- und Familienminister:innenkonferenz äußerst vage blieb und die Bundeskanzlerin die Verantwortung für Kita-Öffnungen letzte Woche offiziell an die Länder übergab, schieben viele Bundesländer zudem wichtige Entscheidungen vor sich her.
In Baden-Württemberg beispielsweise sollen ab Montag die Kitas wieder bis zu 50 Prozent öffnen. Ob 50 Prozent der Kinder oder 50 Prozent Betreuungszeit, bleibt den Kitas und Kommunen überlassen – eine einheitliche Empfehlung sucht man in der am Samstag endlich aktualisierten Corona Verordnung des Landes vergeblich. Ob und wann welche Kinder in die Kita dürfen: eine Einzelfallentscheidung und damit aus Kindersicht reine Glückssache.
In Nordrhein-Westfalen ist dagegen schon sicher: wer kein Vorschulkind ist oder besonderen Förderbedarf hat, wird nicht von der Erweiterung profitieren: “Ganz normale” Dreijährige ohne Eltern in relevanten Berufen werden außer an zwei “Besuchstagen” vermutlich frühestens nach den Schulferien ihre Kita wiedersehen. Gleiches gilt für Kinder, die von Tageseltern betreut werden – obwohl dort die konstante Gruppe und Betreuung in Kleingruppen eindeutig sichergestellt wäre.
Im Saarland hingegen gibt es auch fast drei Wochen nach dem Konzept der Jugend- und Familienminister keinen konkreten Fahrplan: Nach der Ausweitung der Notbetreuung aufgrund starker Nachfrage der Eltern sollen die Vorschüler in die Kitas zurück – wann und wie: unbekannt!
In Schleswig-Holstein steht ab Montag Stufe 2 der flexiblen Notbetreuung an. Erst am Donnerstag, vier Tage vor Start, haben die Kitas entsprechende Informationen erhalten. Zu den Rahmenbedingungen des ab 1.6. geltenden eingeschränkten Regelbetriebs ist bislang noch nichts bekannt. Dadurch wird – wie in vielen anderen Bundesländern auch – die ohnehin kurze Vorbereitungszeit in den Kitas verspielt, die dringend für gute pädagogische Konzepte, Hygienemaßnahmen mit Augenmaß und sinnvolle organisatorische Planungen benötigt würde.
Sächsische Kinder hingegen können aufatmen: Sie dürfen ab 18.05.20. wieder weitgehend flächendeckend in ihre Kitas. Und auch in Thüringen sollen ab dem 18.05. im eingeschränkten Regelbetrieb wieder alle Kinder, zumindest zeitweise, in die Kitas zurückkehren.
Tragfähige bundesweite Konzepte sucht man aber vergebens. Corona wird nicht im Herbst vorbei sein. Es braucht daher kreative Lösungen, die allen Kindern eine Teilhabe an frühkindlicher Bildung und Förderung ermöglicht und auch längerfristig umsetzbar bleibt. Für die meisten Eltern bedeutet diese “Öffnung” ebenfalls keine Entlastung, da nach wie vor die Betreuung der Kita-Kinder zu Hause für viele Realität bleibt und auch das gerade bei Grundschulkindern zeitintensive Homeschooling deutlich überwiegt.
Ist es also am Ende einfach eine finanzielle Frage, dass für Familien kein Schutzschirm gespannt werden soll? Die einfache Rechnung: Wenn Kinder in halb so großen Gruppen in Kitas und Schulen gebildet werden sollen und das eventuell über einen längeren Zeitraum, dann wird mehr Personal und zusätzliche Räume oder Außengelände benötigt. Diese Investition in Bildung muss jetzt dringend erfolgen, bevor uns die langfristigen Folgen einholen.